Strukturwandel im deutschen Einzelhandel
April 2015
- Die voranschreitende Digitalisierung forciert einen Strukturwandel der Handelslandschaft, bei der insbesondere Klein- und Mittelstädte unter den Folgen der Veränderungen leiden.
- Innovative Handelskonzepte kommen zumeist nur in 1A-Lagen der Großstädte zum Einsatz.
- Eine differenzierte Betrachtung der Mittelstädte zeigt jedoch, dass der Strukturwandel durchaus auch Chancen bereithält, die einige Mittelstädte für sich zu nutzen wissen.
- Gewinner-Städte verfügen über konsistente und konkrete Einzelhandelskonzepte und -maßnahmen mit einem hohen Detailgrad.
- Ganzheitliche, erfolgsversprechende Lösungsansätze schließen verschiedene Interessensgruppen mit ein und nehmen Politik, Handel, Gastronomie, Immobilienbesitzer und Verbände in die Pflicht.
Im deutschen Einzelhandel zeichnet sich ein Strukturwandel ab, der maßgeblich durch die voranschreitende Digitalisierung geprägt ist. Während der Handel mit einem nominalen Wachstum von lediglich 1,5 Prozent nur langsam wächst, zeichnet sich der Online-Handel als klarer Gewinner dieser Wachstumsdynamiken ab. So wird der Umsatzanteil des Online-Handels am Non Food-Einzelhandel laut der Gesellschaft für Konsumgüterforschung (GfK) im Jahr 2020 auf bis zu 40 Prozent prognostiziert. Dies entspricht einem durchschnittlichen jährlichen Wachstum von rund 17 Prozent. Bewährte Formate im stationären Handel sind gezwungen, sich neu zu erfinden. Insbesondere der Fachhandel, der mit 48 Prozent fast die Hälfte der im stationären Handel erzielten Umsätze erwirtschaftet, ist von dieser Entwicklung betroffen. Die größte Herausforderung dabei ist es, Filialisten und Online-Handelskanälen im Preis- und Angebotswettbewerb standzuhalten. Auch fehlen meist die notwendigen finanziellen Mittel sowie Kompetenzen, eigene Online-Angebote aufzubauen.
Vor allem Klein- und Mittelstädte sind die Verlierer des Strukturwandels
Händler begegnen dem anhaltenden Strukturwandel mit innovativen Konzepten und versuchen, durch neue Store Design-Lösungen und innovative Dienstleistungen ein faszinierendes Einkaufserlebnis zu schaffen. Aufgrund der notwendigen aber hohen Investitionen werden solche Konzepte jedoch meist nur in Großstädten und Ballungszentren verwirklicht, in denen ausreichend Kundenfrequenz vorhanden ist. In kleineren und mittelgroßen Städten droht hingegen die Gefahr der Verödung.
Wirkung einheitlicher Einzelhandelskonzepte fraglich
Allerdings lassen sich auch bei Klein- und Mittelstädten Gewinner identifizieren, die den Strukturwandel für sich als Chance wahrnehmen konnten. Erfolgsfaktoren sind hierbei Konsistenz und Detailgrad der ergriffenen Maßnahmen. Nur die Städte, welche die für sie spezifischen Herausforderungen aber auch Möglichkeiten lückenlos und klar strukturiert aufarbeiten, können gezielte sowie konkrete Maßnahmen ableiten und diese auch konsequent umsetzen.
In bedrohten Städten fehlt häufig die Stringenz der Einzelhandelskonzepte. Es werden zwar einzelne Maßnahmen ergriffen, durch die möglicherweise unzureichende vorausgehende Analyse spezifischer Herausforderungen geraten diese Maßnahmen jedoch zur Makulatur. Relevante Stellschrauben im Umgang mit dem Strukturwandel bleiben häufig unberührt. Die in den Einzelhandelskonzepten empfohlenen Maßnahmen sind zudem trotz individueller Herausforderungen der Städte nahezu identisch. Es stellt sich daher die Frage, ob der heute vorhandene Maßnahmenkoffer ausreicht, um dem Strukturwandel erfolgreich begegnen zu können. Abgewanderte Kaufkraft lässt sich nur schwer wieder zurückgewinnen. Es müssen frühzeitig Voraussetzungen für einen zukunftsfähigen Wandel geschaffen werden. Diese Hebel liegen insbesondere in der Infrastruktur sowie der Qualität des Einzelhandelsimmobilienbestandes.
Zusammenarbeit aller beteiligten Interessensgruppen von zentraler Bedeutung
Um diese Voraussetzungen zu schaffen, müssen alle Betroffenengruppen zusammenarbeiten. Handel, Gastronomie, Politik, Immobilienbesitzer, Verbände und Verbraucher müssen gemeinsam die für ihre Stadt relevanten Maßnahmen identifizieren und umsetzen. Darüber hinaus ist von jedem der Betroffenen ein gewisses Maß an Eigeninitiative gefragt, moderne Konzepte und Innovationen in die Stadt zu tragen. Analog zu ihrer Rolle im Umgang mit dem Strukturwandel und ihrer spezifischen Herausforderungen ergeben sich für jede Interessensgruppe exemplarische Handlungsempfehlungen.
Handel & Gastronomie: Anbieten eines Erlebnis-Shoppings durch die Umsetzung innovativer Einzelhandelskonzepte, zum Beispiel Einsatz von Multimedia-Elementen und neue Dienstleistungen; Forcieren des Zusammenspiels zwischen Handel und Gastronomie; Stärkung der Cross Channel-Kompetenzen.
Politik & Verwaltung: Bereitstellen moderner Infrastruktur als Entwicklungsgrundlage für den stationären und den Online-Handel; Umsetzung moderner Stadtkonzepte durch kostenfreies WLAN, Online-Touristenführer und -Shopping-Guides, digitale Verkehrssteuerung und Reservierung von Parkplätzen; Durchführung von Veranstaltungen und Einbindung von Handel und Gastronomie; Unterstützung und Förderung des Aus- und Aufbaus moderner Einzelhandelsimmobilien.
Immobilienbesitzer: Investitionen in die Erneuerung von Bestandsimmobilien und die Entwicklung moderner Einzelhandelsimmobilien nach den Anforderungen des Handels; Flexibilisierung von Mietverträgen, zum Beispiel modulare Vermietung als Grundlage von Shop-in-Shop Konzepten.
Arbeitnehmer & Gewerkschaften: Qualifikation und Weiterbildung von Einzelhandelsmitarbeitern und Gewerkschaftsmitgliedern zum gezielten und strukturierten Kompetenzaufbau steigender und sich verändernder Anforderungen im Zuge der Digitalisierung.
RP#8_Strukturwandel im Einzelhandel
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