Warum Talent Management Programme (TMP) häufig scheitern
März 2014
- Demographische und soziographische Veränderungen verstärken die Notwendigkeit systematischer Talent Management-Programme (TMP) und unterstreichen die Bedeutung von TMP für den Unternehmenserfolg.
- Die Verankerung des TMP in der Unternehmensstrategie und die Priorisierung aktueller und zukünftiger erfolgskritischer Kompetenzen bilden einen zentralen Erfolgsfaktor.
- Ein langfristiger Zugriff auf geeignete Fach- und Führungskräfte bedarf einer systematischen Identifikation von Potenzialträgern sowie deren kontinuierliche Weiterentwicklung in geeigneten Positionen.
- Die für die TMP verantwortliche Abteilung benötigt ausreichend Personal, Finanzmittel und Kompetenzen, um TMP neben allen anderen, insbesondere den operativen Personalarbeiten, erfolgreich betreiben zu können.
- Ganzheitliche TMP berücksichtigen die Prozessschritte ‘Identifikation’, ‘Förderung’ und ‘Bindung’ von Talenten.
Zahlreiche Studien belegen den Zusammenhang von Talent Management-Programmen (TMP) und der Profitabilität von Unternehmen. Was bisher jedoch häufig unklar bleibt, sind die notwendigen Voraussetzungen sowie die Herausforderungen in der Umsetzung von TMP. Um diese Erfolgsfaktoren zu identifizieren wurden 48 Experten befragt, die hauptsächlich aus den Branchen Handel, Konsumgüter und konsumentennahe Dienstleistungen stammen. Mehr als 40 Prozent der Befragten sind im Topmanagement ihrer jeweiligen Unternehmen tätig.
Personalentwicklung als strategische Kernaufgabe
TMP tragen zur Leistungsfähigkeit und langfristigen Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen bei. Entsprechend schätzen knapp 98 Prozent der Studienteilnehmer die Bedeutung von TMP auf den Unternehmenserfolg hoch oder sehr hoch ein. Es scheint also akzeptierte Meinung zu sein, dass es längst nicht mehr nur einzelne fähige Individuen sind, sondern es das Unternehmen mit allen seinen Kompetenzen ist, was im Wettbewerb steht. Immer spezifischere Anforderungsprofile sowie die zunehmende Forderung nach Spezialkenntnissen, wie beispielsweise Digitalisierungswissen und-kompetenzen, erfordern einen langfristigen systematischen Kompetenzaufbau. Einer der Kernnutzen von TMP ist es, Vorhersagen über die Strategieumsetzungsfähigkeit eines Unternehmens treffen zu können. Der Abgleich von Zielen des Unternehmens mit den Kompetenzen des Führungskräftepotenzials erlaubt die Aussage, inwieweit sich die Unternehmensstrategie innerhalb gesteckter Zeit und Qualität umsetzen lässt. Entsprechend kommt in TMP die strategische Komponente der Personalarbeit zum Tragen. Nicht nur aufgrund deren Langfristigkeit, sondern auch aufgrund deren nachhaltigen Einflussmöglichkeiten auf den Unternehmenserfolg.
Digitalisierung, demographischer Wandel und veränderte Werte
Demographische und soziographische Veränderungen verstärken die Notwendigkeit systematischer TMP. So werden insbesondere ein Fachkräftemangel (79 Prozent), aber auch der Wertewandel junger Generationen (69 Prozent) und die weitere Bevölkerungsalterung (52 Prozent) als Gründe für die Notwendigkeit von TMP genannt. In einer Welt, in der es immer weniger erstrebenswert ist, die sagenumwobene Karriereleiter der Unternehmenshierarchie zu besteigen, werden spannende Projekte und Weiterentwicklung als eigener Wert zentral. Flache Hierarchien in Einklang mit ausreichend Freiraum und Entfaltungsmöglichkeiten werden somit immer öfter zur Selbstverständlichkeit und prägen nicht nur eine neue Arbeitskultur. Die Suche nach kompetenten und motivierten Mitarbeitern erfordert damit zunehmend eine ganzheitliche Ansprache und das Aufzeigen von Entwicklungspotenzialen. Entsprechend belegen die Studienergebnisse, dass die geforderte Vielfältigkeit im Arbeitsumfeld (57 Prozent) TMP notwendig macht. Nicht punktuelle Qualifikationen, sondern eine umfassende Problemlösungskompetenz gewinnt an Bedeutung.
Neben dem Wertewandel konnten die Ergebnisse der Studie vor allem die Bevölkerungsalterung als maßgeblichen Faktor für zukünftige Entwicklungen bestimmen. Dabei erkennen immer mehr Unternehmen (65 Prozent) die demographischen Veränderungen als strategische Bedrohung an. Das verlorene Wissen durch das Ausscheiden erfahrener Mitarbeiter ist kaum zu kompensieren. Die voranschreitende Digitalisierung stellt jedoch nur für 31 Prozent der Befragten einen wirklichen Treiber des Wandels dar. Letztere gehen davon aus, dass technischer Fortschritt die Qualifikation der Mitarbeiter beeinflusst und letztlich zu einer Neuausrichtung der Unternehmen und deren Geschäftsmodellen führen wird. Das verlorene Wissen durch das Ausscheiden erfahrener Mitarbeiter ist kaum zu kompensieren. Die voranschreitende Digitalisierung stellt jedoch nur für 31 Prozent der Befragten einen wirklichen Treiber des Wandels dar. Letztere gehen davon aus, dass technischer Fortschritt die Qualifikation der Mitarbeiter beeinflusst und letztlich zu einer Neuausrichtung der Unternehmen und deren Geschäftsmodellen führen wird.
Erfolgsfaktor 1: Ableitung eines Kompetenzkatalogs aus der Unternehmensstrategie und Unterstützung durch das Topmanagement
Trotz der Bedeutung und Notwendigkeit von TMP scheint das Thema noch nicht vollends auf der Topmanagement Agenda angekommen zu sein. 30 Prozent der Befragten bemängeln die unzureichende Unterstützung des Topmanagements und die fehlende Verankerung von TMP in der Unternehmensstrategie als größte Fehlentwicklung der letzten Jahre. 31 Prozent machen die Unabgestimmtheit von Unternehmensstrategie und TMP dafür verantwortlich. Lediglich 35 Prozent der Unternehmen gaben an, eindeutige Kompetenzen aus der Unternehmensstrategie priorisiert zu haben. Weitere 35 Prozent gaben an, zwar über einen Kompetenzkatalog benötigter Mitarbeiterqualifikationen zu verfügen, dass dieser sich aber nicht auf die Unternehmensstrategie stützt. Diese zweite Gruppe an Unternehmen zeigte sich entsprechend signifikant unzufriedener mit den Erfolgen ihres TMP. Die Verankerung des TMP in der Unternehmensstrategie und die Priorisierung aktueller und zukünftiger erfolgskritischer Kompetenzen können daher als Erfolgsfaktor gelten.
Erfolgsfaktor 2: TMP sind als strukturierter Prozess zu verstehen und gestalten
Betrachtet man die Ausgestaltung von TMP in den befragten Unternehmen, so fällt auf, dass bei mehr als der Hälfte der Unternehmen (66 Prozent) mit Talent Management lediglich Einzelmaßnahmen definiert sind. Nur rund ein Drittel der Befragten gab an, TMP als einen strukturierten Prozess mit umfassend aufeinander abgestimmten Maßnahmen eingeführt zu haben. Keiner dieser Befragten war mit dem TMP unzufrieden. Im Gegensatz zu den Unternehmen, deren Personalentwicklung lediglich auf isolierten Einzelmaßnahmen basiert.
Hier waren mehr als 60 Prozent von den Erfolgen ihres TMP enttäuscht. Die ausschließliche Definition von Einzelmaßnahmen scheint hierbei die Entwicklung der Organisation hin zu einer lernenden Einheit nicht ausreichend zu unterstützen. Damit der Organisation langfristig geeignete Fach- und Führungskräfte zur Verfügung stehen, müssen Potenzialträger systematisch entdeckt sowie kontinuierlich weiterentwickelt und ihnen geeignete Positionen zugeführt werden.
Erfolgsfaktor 3: Personalabteilung als Innovator und Koordinator von TMP
Ob die Einführung von TMP nur Lippenbekenntnisse sind, also lediglich bestehende und klassische Tools als solche bezeichnet werden, lässt sich an deren Verankerung erkennen. Fast zwei Drittel der befragten Unternehmen haben die Verantwortung ihrer TMP in der Personalabteilung angesiedelt. Die Personalabteilung wird also mit deutlicher Mehrheit als Innovator und Koordinator für Prozesse und eingesetzte Werkzeuge innerhalb erfolgreicher TMP angesehen. Dabei bleibt jedoch mit Ausblick auf die Erfolgshürden kritisch zu hinterfragen, ob diese mit ausreichend Personal, Finanzmitteln und Kompetenzen ausgestattet sind, um TMP neben allen anderen, insbesondere den operativen Personalarbeiten, erfolgreich betreiben zu können. Personalverantwortliche sollten sich daher kritisch der Frage stellen, ob die gegenwärtigen Prozesse und Strukturen der Personalabteilungen beziehungsweise der TMP die Führungskräfte hervorbringen, die zukünftig im Unternehmen benötigt werden.
Erfolgsfaktor 4: Abgestimmte Maßnahmenpakete zur Identifikation, Förderung und dem Einsatz von Talenten
Ganzheitliche TMP berücksichtigen die Prozessschritte ‘Identifikation’, ‘Förderung’ und ‘Bindung’ von Talenten. Im Rahmen der Studie konnten Abweichungen – auch von der empfundenen Bedeutung und der Anwendung konkreter Maßnahmen – festgestellt werden. Modernes Talent Management sollte nicht nur altbewährtes Bewerbermanagement nutzen, sondern bereits im Recruiting neue Wege gehen. Kandidaten aktiv und systematisch anzusprechen und für sich einzunehmen, wird in einem immer enger werdenden Arbeitsmarkt wichtig. So sind es insbesondere Jahresmitarbeitergespräche (85 Prozent), Führungszirkel (86 Prozent) und Potenzialanalyseverfahren (78 Prozent), die als bedeutend oder sehr bedeutend bei der Gewinnung von Talenten wahrgenommen werden. Obwohl die Befragten Assessment Center nicht als eine der oben genannten Einflussgrößen sehen, findet diese Maßnahme bei mehr als der Hälfte der Unternehmen Anwendung. Nur die Hälfte der Befragten nutzt tatsächlich auch strukturierte Potenzialanalyseverfahren zur Identifikation geeigneter Talente.
Die langfristige, zielorientierte Förderung von Mitarbeitern, vollzieht sich – insbesondere in starken Hierarchien – in eindeutigen, oftmals alternativlosen Laufbahn- und Karriereplanungen. Bei mehr als der Hälfte der Befragten kommen dabei klassische Management-Trainings (59 Prozent), Mentoring-Programme (57 Prozent), Jobrotationen (57 Prozent) und Coaching-Angebote (57 Prozent) zum Einsatz. Development-Centern wird zwar ein hoher Stellenwert beigemessen (79 Prozent), diese werden jedoch kaum durchgeführt (24 Prozent). Gleiches gilt für Trainee Programme, die die befragten Personaler gerne stärker anwenden würden (78 Prozent der Unternehmen bewerten Trainee Programme als zentral, lediglich 43 Prozent wenden diese jedoch an).
Die Stärkung des bereichsübergreifenden Denkens, die Förderung der Mitarbeitermotivation, die Steigerung der Attraktivität des Unternehmens als Arbeitgeber sowie die Schaffung zusätzlicher Freiräume für die Entwicklung der Mitarbeiter sind Faktoren, die für die Bindung von Leistungsträgern eine wichtige Rolle spielen. Die Studie bestätigt dies. 67 Prozent der Befragten setzen auf die sprichwörtliche ‘Karotte‘ und das Aufzeigen von Entwicklungsoptionen und Karriereperspektiven sowie den Aufbau eines positives Arbeitsimages (48 Prozent) als Maßnahmen zur Bindung von Leistungsträgern. Dass die frühzeitige Besetzung von Schlüsselpositionen ein wesentlich effektiveres Mittel der Mitarbeiterbindung sein könnte, findet lediglich ein Viertel der Befragten.
Insgesamt scheinen die angewandten Maßnahmen eher auf die Förderung junger Talente und nicht auf Leistungsträger ausgerichtet zu sein. Die einmalige Förderung scheint in der bisherigen Ausgestaltung von TMP zu dominieren und rückt die kontinuierliche Qualifikationssteigerung des Unternehmens in den Hintergrund. Dies deckt sich auch mit der Erkenntnis einer mangelnden strategischen Verankerung von TMP in der Unternehmensstrategie.
Erfolgsfaktor 5: Organisationale Voraussetzungen schaffen
Unternehmen, die den Erfolg ihrer TMP hervorheben, geben an, die richtigen Voraussetzungen im Unternehmen geschaffen zu haben. Dazu werden insbesondere das Etablieren einer offenen Kultur im Unternehmen sowie die Unterstützung durch das Topmanagement gezählt. Eine inadäquate Infrastruktur und fehlende Kapazitäten im Personalwesen stellen hingegen eine Hürde erfolgreicher TMP dar, so 70 Prozent der Befragten.
Für immerhin 67 Prozent der Befragten stellt das operative Geschäft mit seinen Erfordernissen eine schwer zu überwindende Hürde dar. Über 40 Prozent der Befragten geben an, dass Mitarbeiter aufgrund operativer Tätigkeiten nicht den nötigen Freiraum zur Teilnahme an Talent Management finden. Den Druck jedoch zu erhöhen, um eine Teilnahme dieser Mitarbeiter zu erzwingen, sehen deutlich unter zehn Prozent der Unternehmen als adäquates Mittel an. Arbeitsplatznahes Lernen, zum Beispiel in Multi Media-Lerneinheiten oder in Online Games scheint entsprechend angebrachter.
Management-Denker Peter Drucker bezeichnete die Steigerung der Produktivität von Wissensarbeit als zentrale Herausforderung von Unternehmen im 21. Jahrhundert. TMP helfen, diese Herausforderung anzunehmen. Die Hebelwirkung von solchen, idealerweise strategisch geplanten Eingriffen in das Humankapital des Unternehmens ist dabei umso höher, je eher die hier dargestellten Erfolgsgaranten wirksamer TMP berücksichtigt werden.
Studie#3_Talent Management Programme
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