Retail Operating Model 4.0: Neugestaltung des Betriebsmodells
Juli 2020
- Neue digitale Leistungsangebote, die Verfügbarkeit von Daten und fortgeschrittene Analytik-Methoden erfordern die ganzheitliche Neuausrichtung aller operativen Prozesse mit einem einheitlichen Blick auf den Kunden und seine Bedürfnisse.
- Zeitgemäße Operating Models kombinieren digitale Technologien mit Prozessmanagement-Praktiken und agilen Innovationsmethoden, um die Kundenerfahrung in der Customer Journey zu optimieren und interne Prozesse stetig zu verbessern.
- Ein Retail Operating Model 4.0 ist datengetrieben und prädiktiv und ermöglicht schnellere sowie faktengetriebene, datenbasierte Entscheidungen.
- Die Entwicklung eines Retail Operating Model 4.0 erfordert die Neugestaltung von Organisation, Ressourcen, Technologien und Systemen, die Anbindung an offene Netzwerke, neue Governance-Mechanismen und eine Innovations- und Lernkultur.
Getrieben von einer zunehmenden Digitalisierung aller Lebensbereiche befinden sich konsumentenzentierte Industrien, allen voran der Einzelhandel und die Konsumgüterindustrie im fundamentalen Umbruch. Neue digitale Leistungsangebote und fortgeschrittene Analytik-Methoden sorgen nicht nur für eine Reorganisation des Wettbewerbsumfelds, sie definieren den strategischen und organisatorischen Imperativ für Handelsunternehmen vollkommen neu. Etablierte Operating Modelle geraten dabei zunehmend unter Druck, da sie mit sich schnell ändernden Konsumentenbedürfnissen und innovativen Problemlösungen neuer und internationaler Wettbewerber nicht mehr Schritt halten können.
Fundamentale Neuausrichtung des Retail Operating Models im Zuge der Digitalisierung unausweichlich
Dieser Strukturwandel ist nicht mehr durch partikuläre Optimierungsmaßnahmen in einzelnen, voneinander losgelösten Verbesserungs- oder Innovationsprojekten zu bewältigen – vielmehr steht das bestehende Operating Model in seiner Gesamtheit zur Disposition. Handelsunternehmen müssen zu Predictive Enterprises werden, die nach erfolgter Transformation höhere Umsätze bei gleichzeitig geringeren Kosten und deutlich gesteigerter Kundenloyalität realisieren. Beispielsweise durch eine rohertragsmaximierte und individualisierte Flächenbelegung in den Filialen bei gleichzeitiger Komplexitätsreduktion von Sortimenten und Prozessen der Warenallokation.
Dabei ist jedoch zu erwarten, dass nur wenige Handelsunternehmen die Transformation erfolgreich meistern werden. Viel zu häufig fokussieren sich Unternehmen auf einzelne, isolierte Optimierungsmaßnahmen. Eine ganzheitliche Neuausrichtung aller operativen Prozesse mit einem einheitlichen Blick auf den Kunden und seine Bedürfnisse sowie einer kohärenten Ausgestaltung der dazu erforderlichen infrastrukturellen Voraussetzungen bleiben zumeist aus. In einer neuen, digitalen Welt ist sind jedoch genau diese Faktoren, die zunehmend erfolgskritisch werden.
Digitale Strategien sind Jazz, keine Klassik – sie erfordern neue Instrumente
Strategiezyklen haben sich dramatisch beschleunigt. Während Strategien ursprünglich langfristige Pläne mit einem Horizont von bis zu 15 Jahren darstellten, sind heute in Zeiten eines digitalen Umbruchs vielmehr emergente Strategien erforderlich. Im digitalen Umfeld wird Strategie dabei in verschiedenen, teilweise konkurrierenden Initiativen gleichzeitig vorangetrieben, um die sich bietenden Chancen zu nutzen und neue Möglichkeiten aufzubauen.
Damit ist Strategie keine schön abgestimmte Orchestermusik, in der jedes Detail für alle Standardinstrumente fest geplant ist. Vielmehr ähnelt eine digitale Strategie dem Jazz und ist gekennzeichnet durch eine unbändige Dynamik sowie eine intensive, improvisatorische und spontane Interaktion von operativen Prozessen, IT Systemen und externen Wertschöpfungspartnern.
Datengetriebenes und prädikatives Operating Model als Erfolgsfaktor in einer Retail 4.0-Welt
Das Operating Model nimmt dabei eine zentrale Rolle ein, indem es die Strategie mit den operativen Prozessen und Aktivitäten des Unternehmens synchronisiert und damit überhaupt erst ermöglicht, Mehrwerte zu schaffen. Es ist das Operating Model, das festlegt, was ein Unternehmen tun muss, welche Fähigkeiten hierzu in welcher Funktion und Hierarchieebene benötigt werden, wie Ressourcen bereitgestellt, an welcher Stelle und wie Entscheidungen getroffen werden und welchen Verhaltensprinzipien der Zusammenarbeit man sich verpflichtet fühlt.
Um in einer Retail 4.0-Welt erfolgreich sein zu können, bedarf es daher eines datengetriebenen und prädiktiven Operating Models, das es erlaubt, digitale Aktivitäten schnell und ohne zusätzliche marginale Kosten zu skalieren, in neue Anwendungsfälle zu übertragen und kontinuierlich zu verbessern. Es gilt, Unternehmenskontexte zu schaffen, in denen einem kontinuierlichen Lernen ein hoher Stellenwert beigemessen wird, um die Kundenerfahrung in der Customer Journey zu optimieren und interne Prozesse zu verbessern. Daten über Markt, Kunden, Wettbewerber, Lieferketten und Preisgestaltung, die in und durch Handelsunternehmen erfasst, analysiert, verstanden und monetarisiert werden, wer-den dabei zum entscheidenden Erfolgsfaktor. Um Bedeutung aus diesen Daten zu generieren und mehr, schnellere und bessere Entscheidungen dezentral umzusetzen, bedarf es eines Retail Operating Model 4.0. Sechs zentrale Prinzipien gilt es bei der Entwicklung eines Retail Operating Model 4.0 zu beachten.
1. Organisation. Horizontale Fähigkeiten der Daten-Sammlung, -Verarbeitung, der -Analytik und der Algorithmus-Entwicklung rücken in den Fokus, die über alle Funktionsbereiche des Unternehmens Anwendung finden und es erlauben, schnell automatisiert bessere Entscheidungen zu treffen.
2. Ressourcen. Physische Ressourcen oder die Verfügbarkeit menschlicher Arbeitskraft verlieren zunehmend an Bedeutung – Daten, Informationen und immaterielle Ressourcen sind neuen Triebfedern des Operating Models.
3. Technologie und Systeme. Datengetriebene Operating Modelle implizieren eine grundlegend neue IT-Anwendungsstruktur und erfordern die Zerlegung von Anwendungen in überschaubare Module, die eine schnellere und zielgerichtete Entwicklung sowie Anpassung und Wartung ermöglichen.
4. Offene Netzwerke. Neue Operating Modelle im Handel nutzen die vielfältigen, offenen und verteilten Verbindungen zwischen Unternehmen zur Generierung von Wettbewerbsvorteilen, indem sie sich geschickt in diese offenen Netzwerke mit einbinden.
5. Governance. In datengetriebenen Operating Models werden insbesondere Datenschutz und Cybersicherheit zu zentralen Problembereichen. Entsprechend nehmen Rechts- und Kommunikationsabteilungen in Querschnittsprozessen der Leistungserstellung der Handelsunternehmen eine wichtige Rolle ein.
6. Innovations- und Lernkultur. Innovations- und Lernkultur. Nicht mehr die Perfektion der Planung und Vorbereitung, sondern Flexibilität und schnelle Lernprozesse rücken in den Fokus. Entsprechend sind neue Operating Modelle im Handel darum bemüht, in funktionsübergreifenden Teams, zu experimentieren, neue kundenzentrierte Lösungen zu entwickeln und deren schnelle Skalierung voranzutreiben.
NR#5_Retail Operating Model 4.0
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